"Es kann nicht Ziel sein, den Primat des Militärischen zu vermitteln"
17. Mrz 2017
Am 16. März luden Richard Bösch zusammen mit Bernd Geisler vom Lebenhaus Schwäbische Alb SchulleiterInnen, LehrerInnen (insbesondere der Fächer Gemeinschaftskunde, Religion bzw. Ethik sowie die Verantwortlichen im Bereich der Berufsorientierung) und SchülerInnen und ihre Eltern aus der Region Riedlingen zu einem Vortrag mit Podiumsdiskussion an die Joseph-Christian-Gemeinschaftsschule nach Riedlingen ein. Die Veranstaltung wurde vom Evangelischen Bildungswerk Oberschwaben sowie vom Katholischen Bildungswerk im Kreis Biberach/ Dekanat Saulgau unterstützt.Seinen Vortrag begann Richard Bösch zunächst mit einigen globalen Schlaglichtern, die die Dynamiken von Weltpolitik und Weltwirtschaft vor dem Hintergrund eines andauernden Globalisierungsprozesses verdeutlichten. Darauf aufbauend stelle er Bausteine von Friedensbegriffen dar, wie sie in der Friedens- und Konfliktforschung entwickelt wurden. Vor diesem Hintergrund verwies Richard Bösch auf Friedensbildung nicht nur als logische Konsequenz aus den Erkenntnissen der Forschung sondern auch als normativ begründete Notwendigkeit, die u.a. in der Landesverfassung von Baden-Württemberg Ausdruck findet. Friedensbildung, so Richard Bösch, beschäftigt sich im Kern damit, Menschen Wissen und Methoden zu vermitteln, die es ihnen ermöglichen, Konflikte (sei es auf der persönlichen, gesellschaftlichen oder internationalen Ebene) gewaltfrei zu bearbeiten. Abschließend und gleichsam als Auftakt für die Podiumsdiskussion gab er den Anwesenden ein Zitat von Papst Franziskus aus seiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1.01.2017 mit: "Bemühen wir uns Menschen zu werden, die die Gewalt aus ihrem Herzen, aus ihren Worten und aus ihren Gesten verbannt haben, und gewaltfreie Gemeinschaften aufzubauen, die sich um das gemeinsame Haus kümmern. Nichts ist unmöglich. Alle können Handwerker des Friedens sein."
In der anschließenden Podiumsdiskussion debattierten Martin Gabel (Lehrer am Progymnasium in Bad Buchau), Ulrich Widmann (Kreisrat, pensionierter Lehrer am Kreisgymnasium Riedlingen und ehemaliger Offizier), Richard Bösch und zwei Schülersprecher vom Kreisgymnasium Riedlingen. Kerstin Leitschuh, Dekanatsreferentin aus Biberach an der Riß, übernahm die Moderation. Richard Bösch legte dar, dass es aus seiner Sicht keine Jugendoffiziere an Schulen braucht. Zum einen sei es so, dass diese Jugendoffiziere zwar keine Werbung machen dürften, es aber unterschwellig dennoch tun. Jugendoffizieren deckten durch ihre "Expertise" über internationale Politik nur die militärisch geprägte Perspektive ab. Auch gebe die Bundeswehr in ihrem allgemeinen Haushalt immer mehr Geld für diese Maßnahmen, aber auch offene Werbemaßnahmen aus. Friedensorganisationen könnten niemals einen Ausgleich dazu schaffen, wenn sie denn ebenfalls an Schulen eingeladen wären - so herrsche ein strukturelles Ungleichgewicht, was unter dem Strich zu einer Privilegierung der Bundeswehr und ihrer Sicht der internationalen Politik führe. Martin Gabel widersprach dieser Sichtweise. Der Geschichte- und Gemeinschaftskundelehrer befürwortet die Präsenz von Jugendoffizieren an Schulen. Aus seiner Sicht können und müssen LehrerInnen Besuche solcherart eben entsprechend vor- und nachbereiten. Insgesamt spricht er sich dafür aus, dass Schule von solchen "Experten" nur profitieren könne, da SchülerInnen auf diese Weise Realitätsbezug erfahren. So lade er schließlich auch Vertreter von Unternehmen, z.B. Banken oder zivilgesellschaftliche Akteure, z.B. von Amnesty International, ein. Ulrich Widmann erinnerte in seinen Ausführungen u.a. daran, dass es in den 70er und 80er Jahren in Baden-Württemberg durchaus Versuche gab, die Schulen verbindlich für Besuche der Bundeswehr zu öffnen. Einen solch verpflichtenden Charakter gebe es heute glücklicherweise nicht mehr. Besuche von Jugendoffizieren lehne er daher nicht grundsätzlich ab. Aus der Perspektive der Schülersprecher sei es wichtig, dieses Thema auf die Agenda zu bringen, denn viele SchülerInnen, so ihre Einschätzung, haben im Schulalltag gar nicht die Zeit und die Muse, sich mit dieser wichtigen Debatte auseinanderzusetzen. Darüber hinaus brachten sie ein, dass es mit Blick auf die Kompetenz ihrer LehrerInnen wohl keine Jugendoffiziere bräuchte, sie sich aber durchaus zutrauen würden, die militärische Perspektive auf internationale Politik, die ein Jugendoffizier ja nur vermitteln kann, entsprechend einzuordnen.
Nachdem die DiskutantInnen auf dem Podium ihre Positionen ausgetauscht haben, konnten auch die Anwesenden ihre Fragen und Kommentare loswerden. Die Rückmeldungen aus dem Publikum zeigten, dass das Thema offensichtlich einen Nerv getroffen hat. Neben Wortmeldungen, die die eine oder andere Seite befürworteten, kam auch die Frage auf, warum kein Jugendoffizier zur Podiumsdiskussion eingeladen wurde. In diesem Zusammenhang stelle Richard Bösch im Namen der Veranstalter noch einmal klar, dass für das Podium ausschließlich SchulleiterInnen, LehrerInnen, SchülerInnen und ihre Eltern eingeladen wurden - also die Personengruppen, die auch darüber entscheiden, ob ein Jugendoffizier eingeladen wird. Das ist nach wie vor eine autonome Entscheidung der Schulen und nicht etwa der Bundeswehr. Auch gehe es bei der Veranstaltung, so Richard Bösch, nicht um die Existenz der Bundeswehr als solche, "das ist ein eigenes Thema, das wir gerne an anderer Stelle wieder aufgreifen können. Heute soll es um den Lernort Schule gehen und darum, sich mit Beteiligten darüber auszutauschen, welche Einflüsse wir an Schulen zulassen."